Die Frage, ob Datenschutzverstöße auch durch Mitbewerber oder Verbände über das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) verfolgt werden können, war lange umstritten. Mit drei Urteilen vom 27. März 2025 bringt der BGH nun klare Antworten – mit weitreichenden Folgen für die zivilrechtliche Durchsetzung von Datenschutzpflichten.
Hintergrund und Streitstand:
Bisher war unklar, ob Verstöße gegen die Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) zugleich als Verstöße gegen Marktverhaltensregeln im Sinne des § 3a UWG gelten können. Insbesondere war fraglich, ob Art. 80 II DS-GVO abschließend ist oder ob daneben auch Mitbewerber nach § 8 III UWG klagebefugt sind.
Rechtsprechung des EuGH und BGH:
Der EuGH bejahte in zwei Verfahren („Meta“ und „Arzneimittelbestelldaten“) ausdrücklich die Klagebefugnis von Verbraucherverbänden und Mitbewerbern, wenn Datenschutzverstöße vorliegen, die das Marktverhalten beeinflussen können. Der BGH bestätigte dies und stellte klar:
- Informationspflichten nach Art. 12, 13 DS-GVO können Marktverhaltensregeln darstellen.
- Auch Einwilligungspflichten (z. B. bei der Verarbeitung sensibler Gesundheitsdaten nach Art. 9 DS-GVO) fallen unter § 3a UWG.
- Bei Verstößen gegen Informationspflichten greift vorrangig § 5a UWG, da er weitergehende Rechtsfolgen (z. B. Schadensersatz) auslöst.
Zentrale Bewertungskriterien:
Der BGH differenziert, ob eine Datenschutzvorschrift konkret auf die Marktteilnahme wirkt. Eine Marktverhaltensregel liegt demnach vor, wenn die jeweilige Datenschutzpflicht die wirtschaftliche Entscheidungsfreiheit der Verbraucher beeinflusst – etwa bei datenbasierten Geschäftsmodellen, in denen Nutzer Dienste durch Preisgabe ihrer Daten „bezahlen“.
Kein Grund zur Sorge vor Abmahnwelle:
Trotz der Ausweitung der Klagemöglichkeiten erwartet der Autor keine neue Abmahnwelle. Grund dafür sind gesetzlich verankerte Schutzmechanismen:
- § 8c UWG verhindert missbräuchliche Abmahnungen.
- § 13a und § 13 IV UWG schützen vor Kosten- und Vertragsstrafen bei erstmaligen Verstößen durch KMU (weniger als 250 Beschäftigte).
- Die Klagebefugnis bleibt auf qualifizierte Einrichtungen und klar definierte Mitbewerber begrenzt.
Bedeutung für die Praxis:
Mit der aktuellen Rechtsprechung ist die Rechtsunsicherheit in Sachen Klagebefugnis und Marktverhaltensbezug weitgehend beseitigt. Unternehmen müssen sich jedoch auf eine gestärkte Kontrolle durch Wettbewerber einstellen. Die Compliance-Pflicht umfasst nun auch stärker:
- Datenschutzkonforme Einwilligungserklärungen (z. B. Cookie-Banner)
- Vollständige und transparente Datenschutzerklärungen
- Einhaltung sämtlicher Informationspflichten der DS-GVO
Fazit:
Der BGH hat das Verhältnis von Datenschutzrecht und Wettbewerbsrecht neu geordnet. Datenschutzverstöße können zivilrechtlich geahndet werden, sofern sie das Marktverhalten beeinflussen. „Private Enforcement“ wird zum festen Bestandteil der Durchsetzung der DS-GVO – rechtssicher und eingebettet in wirksame Missbrauchsbarrieren.