BGH konkretisiert Selbstbehalt bei Elternunterhalt – Keine pauschale Anknüpfung an 100.000-€-Grenze

Mit Beschluss vom 7. Mai 2025 hat der BGH klargestellt, dass die durch das Angehörigen-Entlastungsgesetz eingeführte Einkommensgrenze von 100.000 EUR im Sozialhilferecht keinen Einfluss auf die zivilrechtliche Unterhaltspflicht gegenüber Eltern hat. Die Entscheidung betrifft insbesondere die Bemessung des Selbstbehalts unterhaltspflichtiger Kinder mit überdurchschnittlichem Einkommen.

Hintergrund:

Der Fall betraf einen unterhaltspflichtigen Sohn mit einem Jahreseinkommen von rund 118.000 EUR. Der Sozialhilfeträger forderte Erstattung von Pflegekosten für dessen Mutter in Höhe von ca. 6.200 EUR. Der Sohn berief sich auf seine angebliche Leistungsunfähigkeit und verwies auf die Einkommensgrenze des § 94 Ia SGB XII.

Wesentliche Feststellungen des BGH:

  1. Zivilrechtliche Unterhaltspflichten bleiben bestehen, auch wenn der Sozialhilfeträger bei Einkommen bis 100.000 EUR keinen Regress nimmt. Die Grenze betrifft allein das Sozialhilferecht, nicht das Familienrecht.
  2. Der Selbstbehalt ist individuell zu bestimmen – orientiert an der bisherigen BGH-Rechtsprechung und den tatsächlichen Lebensverhältnissen. Pauschale Anknüpfungen an § 94 Ia SGB XII sind nicht zulässig.
  3. Der angemessene Selbstbehalt wurde im konkreten Fall leicht angehoben – von 2.000 EUR auf 2.600 EUR für den Ehemann und auf 2.080 EUR für die Ehefrau. Darüber hinausgehendes Einkommen wurde zu 50 % für den Elternunterhalt herangezogen, abzüglich eines 10 %igen Haushaltsrabattes.
  4. Vorrangige Unterhaltspflichten, etwa gegenüber volljährigen Kindern, sind vom Einkommen abzuziehen. Der Unterhaltsanteil ist dabei quotal zwischen beiden Elternteilen zu verteilen.
  5. Der BGH betont, dass auch unterhaltsrechtlich nicht regresspflichtige Geschwister grundsätzlich zivilrechtlich unterhaltspflichtig bleiben können, was allerdings innerfamiliäre Ausgleichsansprüche und Streit potenziell reduziert.
  6. Für Zeiträume nach dem 1.1.2020 ist es nicht zu beanstanden, wenn Tatrichter dem Unterhaltspflichtigen mehr als 50 % des bereinigten Einkommens über dem Selbstbehalt belassen, etwa 70 %. Dadurch wird ein angemessener Ausgleich zwischen Solidaritätspflicht und Eigenverantwortung geschaffen.

Fazit: Die BGH-Entscheidung bringt wichtige Klarstellungen zur Abgrenzung zwischen Sozialhilferecht und bürgerlichem Unterhaltsrecht. Unterhaltspflichtige mit Einkommen über 100.000 EUR bleiben zivilrechtlich verpflichtet, Elternunterhalt zu leisten. Die Höhe des Selbstbehalts ist nicht pauschal, sondern konkret unter Berücksichtigung der individuellen finanziellen Lage zu bestimmen.

WEITERE AKTUELLE REFERENZEN

Beschluss des OLG Köln vom 18.09.2024

Vorzeitiger Zugewinnausgleich trotz Ehevertrag ausgeschlossen Das OLG Köln hat entschieden: Wird in einem notariellen Ehevertrag der Zugewinnausgleich im Fall der Scheidung ausgeschlossen, ist damit auch